DIE
DESTILLATION
Von
der Entwicklung, der frühen Techniken und der theoretischen
Erkenntnisse über mehr als 2500 Jahre.
Einem
Zufall war es zu verdanken, daß vor mehr als 2500 Jahren griechische
Seefahrer auf hoher See aus Meerwasser durch Destillation das überlebensnotwendige
Süßwasser gewannen.
Die
einfachste apparative Gestaltung der Destillation bediente sich
des Tigels als Grundform.
Verschloß
man ihn mit einem Deckel, so kondensierten hieran, solange dieser
kühl blieb, die beim Erhitzen des Tigelinhaltes sich entwickelnden
Dämpfe in Form feiner Tröpfchen, die man von Zeit zu Zeit
durch Abwischen mit einer Federfahne od. dgl. sammelte.
In
der Antike weit verbreitet und bis in den Beginn der Neuzeit bekannt
war die Verwendung des sogenannten "Wolle-Kondensators" bei der
Destillation, eine Arbeitsmethode, die bereits einen gewissen Fortschritt
gegenüber der soeben geschilderten zeigt. Diese Methode der
Kondensation von Dämpfen an Wolle oder ähnlichen Stoffen
großer Oberfläche wurde vielfach benutzt, um aus Meerwasser
trinkbares Süßwasser zu gewinnen. Der griechische Philospoph
ALEXANDROS von Phrodisias in Karien, der zwischen 198 und 211 unserer
Zeit in Athen die Lehren des ARISTOTELES gegen den Plantonismus
und Stoizismus verteidigte, sagte hiezu in seinen "Commentari in
Aristotelem":
< Seefahrer kochen auf See Meerwasser und hängen große
Schwämme von der Öffnung des Bronzegefäßes
hinein, die das was verdampft, aufsaugen. Wenn sie es aus dem Schwamm
drücken, so findet man, daß es Süßwasser ist.>
Noch
im 16. Jahrhundert beschreibt das gleiche Verfahren zur Trinkwassergewinnung
auf See einer der berühmtesten Naturwissenschaftler seiner
Zeit, der Schweizer Arzt und Altphilologe CONRAD GESNER (1516 bis
1565), der unter dem Pseudonym EVONYMUS PHILIATER als "Deutscher
Plinius", wie man ihn auch nannte, zahlreiche naturwissenschaftliche
Bücher verfaßte. Allerdings führt Gesner diese Entwicklung
irrtümlicherweise auf arabische Wissenschaftler zurück.
Die
Erkenntnis, daß Meerwasser bei der Verdampfung Süßwasser
liefert, ist zeifellos dem Zufall zu verdanken - die Antike kannte
keine gezielten Experimente, aus denen Schlüsse auf bestimmte
Sachverhalte und daraus ableitbare Theorien gezogen werden konnten.
Erste
ausführliche Äußerungen zu den Grundprinzipien der
Destillation, der Verdampfung und Kondensation, stammen von ARISTOTELES
(384 bis 322 v.u.Z.) einer der berühmtesten Philosophen aller
Zeiten, der in ihnen die wirklichen und tatsächlichen Ursachen
für den ständigen Kreislauf des Wassers in der Natur erkannte.
PLATO,
der Lehrer von Aristoteles (427 bis 347 v.u.Z.) formulierte die
Anschauung über die Möglichkeiten einer Umwandlung der
vier klassischen Elemente, hier Luft und Wasser, als wichtige wenn
auch falsche Voraussetzung für die theoretische Stützung
der mehr als anderthalb Jahrtausende lang herrschenden Alchemie.
"Das
von der Sonne aufgesogene Wasser kommt als Regen wieder herunter,
sammelt sich unter der Erde und fließt daraus ... wieder hervor."
So
entstehen nach Aristoteles die Bäche und Flüsse, die letztlich
ins Meer fließen. Der ständige Kreislauf des Wassers
ist es auch, der ein allmähliches Überfließen des
Meeres verhindert.
Aristoteles
hat zweifellos schon in früher Zeit die der Destillation zugrunde
liegenden Prinzipien der Verdampfung und Kondensation richtig beobachtet
und zu deuten verstanden.
Weder
bei ihm noch bei seinen Zeitgenossen findet man individuelle Anhaltpunkte,
wie dieses Wissen in der Praxis anzuwenden oder zu nutzen sei.
Grundsätzlich war man im antiken Griechenland, in dem viele
bedeutende Philosophen lebten, in der Theorie gegenüber der
Praxis weit voraus (der arbeitende Handwerker war zu jener Zeit
geltungslos). Körperliche, handwerkliche Arbeiten überließ
man den Sklaven, "gewerbliches Schaffen führt zu niedriger
Sinnesart". Nur so ist es zu verstehen, daß über viele
Jahrhunderte keine nenneswerten technischen Entwicklungen in die
Praxis umgesezt wurden.
Ganz
im Gegensatz zu den älteren "Stromtalkulturen" Mesopotaniens
und Ägyptens, die enorme chemische Erfahrungen für die
Metallurgie, Textilfärben und Keramik sammeln konnten.
In
Grabkammern am Niel fand man lückenlose Abschriften des 10.
u. 11. Jahrhunderts erhalten gebliebenen Literatur von der "Heiligen
Kunst", der um 300 v.u.Z. in der Stadt Mendes lebende Gelehrte aufgezeichnet
hatte. Hier wird die Thematik zur Herstellung von Farbstoffen, sowie
die Imitation von Gold und Silber behandelt.
Im
Vordergrund standen laut spärlich überlieferter Literatur
jedoch damals noch rein metallurgiesche Operationen, das Glühen
und Schmelzen von Metallen.
Nach
BOLOS, der um 300 v.u.Z. lebte, tritt in der schriftlichen Überlieferung
der "Heiligen Kunst" eine jahrhundertelange Lücke auf, die
erst im 3.Jahrhundert u.Z., also mehr als ein halbes Jahrtausend
später, wieder geschlosen werden. Dieser Mangel an überliefertem
Schrifttum dürfte im wesentlichen auf einen Erlaß des
Kaisers DIOKLETIAN aus dem Jahre 284 u.Z. zurückzuführen
sein, wonach alle Schriften über die "Chymeia" des Goldes und
Silbers zu vernichten waren. Anlaß zu diesem Edikt, das offensichtlich
streng befolgt wurde, war die Furcht vor der Überhandnahme
der Falschmünzerei. Der Verlust war umso gravierender, da gerade
in dieser Zeit wichtige Entwicklungen in der Chemie sowohl auf praktischem
wie theoretischem Gebiet vollzogen wurden.
Wie
aus den ältesten alexandrinischen Abbildungen über Destillationsgerätschaften
hervorgeht (10./11. Jahrhundert), gehörte in erster Linie zur
Destillationsapparatur ein Kolben (Kochkessel, später nach
seiner Form Kürbis genannt) der aus Keramik, Glas oder Kupfer
gefertigt war.
Auf
ihm senkrecht stehend war das meist aus Kupfer hergstellte "Dämpferohr"
und endete in seinem oberen Teil in den sogenannten Helm. An diesem
waren ein, mitunter mehrere nach unten führende Ablaufrohre
befestigt, die zu den Vorlagen führten. Eine besondere Kühlvorrichtung
kannte man noch nicht, Helm und Ablaufrohre übernahmen als
Luftkühler diese Funktion, oder man legte mit kaltem
Wasser getränkte Tücher auf die Vorlagen.
Auf
diese Art und Weise war es aber noch nicht möglich, niedrigsiedende
Substanzen, wie z.B. Alkohol bei der Destillation zu gewinnen. Breiteste
Anwendung der Destillation war der Herstellung von Duftwässern
aus Blüten und anderen Pflanzenteilen gewidmet und wurde rasch
zu einer wichtigen, regelrechten Industrie. Ebenso
die Verwendung tierischer und pflanzlicher Duftstoffe zur Bereitung
wohlriechender Salben u. Öle - auch ursprünglich zu kultisch-rituellen
Zwecken gebraucht.
Schon
seit dem 8. Jahrhundert erzeugten Araber etwa 10 verschiedene Parfums
aus Veilchen, Narzissen, Lilien, Lotusblumen und anderen wohlriechenden
Pflanzen. Berühmt
war in Babylon das Rosenwasser, mit dem ein blühender Handel
bis nach Spanien, Südarabien, Indien und China führte.
Durch
jenen großartigen Vormarsch der Araber nach Westen, der fast
unmittelbar nach dem Tode Mohammeds (632) durch die Eroberung Syriens
und Ägyptens eingeleitet wurde und den Höhepunkt in
der Eroberung Spaniens (711 bis 718) fand, begann jene Epoche so
bedeutsam zu machen, dass in diesem gewaltigen Reich eine einzige
Spache verstanden und nur eine Religion ausgeübt wurde.
Unter
dem neuem kulturellem Besitz, ohne daß die Aufgabe der nationalen
Besonderheiten der unterworfenen Völker stattfand, entstand
eine neue geistige Welt, die sich vor allem auf die Weiterentwicklung
der Naturwissenschaften und in der Medizin fruchtbringend auswirkte.
Alexandria
fiel 640 in die Hand der Araber, ehemals wissenschaftliche Hochburg
des Hellenismus.
Die
bedeutendsten Alexandrinischen Gelehrten flohen z.Großteil
nach Syrien, und hatten ihr Wissen und Ihre Erfahrungen dorthin
verpflanzt. Arabische Wissenschaftler bemühten sich vor allem
naturwissenschaftliche u. medizinische Werke aus der Antike u. des
Hellinismus zu sammeln u. ins arabische zu übersetzen. Diesem
Umstand war es zu verdanken, daß viele dieser Schriften überhaupt
bis zu uns gekommen sind. Viele Einzelheiten der gewonnenen Erkenntnisse
prägten länger als ein Jahrtausend die weitere Entwicklung
der Chemie auf das nachhaltigste.
So
standen den theoretischen Naturwissenschaften beispielhafte Leistungen
in der Anwendung auf praktischem Gebiet gegenüber. Dies gilt
in erster Linie den aus der alexandrinischen "Heiligen Kunst" gesammelten
Erfahrungen durch gezielte Experimente. So entwickelte sich vor
allem die Arzneimittelkunde in ungeahnter Höhe, erste Apotheken
entstanden und schon im Jahre 631 wurde in Bagdad eine Pharmazieschule
nach dem Vorbild der in Edessa von einer christlichen Sekte bereits
im 5. Jahrhundert gegründeten Medizinschule.
In
der arabischen Destillationstechnik finden wir keine grundsätzlichen
Unterschiede gegenüber den bereits beschriebenen Gerätschaften,
jedoch fertigten die Araber aufgrund ihrer hohen Kunstfertigkeit
in der Glasverarbeitungstechnik den Kolben (Kürbis) und den
Helm aus Glas.
Der
weit über seine Zeit hinaus berühmte arabische Wissenschaftler
und Arzt AL-RAZI (865 - 925) genannt der "Rhases" der mittelalterlichen
Alchemisten, schrieb seine tiefen Kenntnisse und reichhaltigen praktischen
Erfahrungen in einer Reihe umfangreicher Schriften nieder.
Das
wichtigste Werk ist das "Kitab sirr al-asrar", das Buch des Geiheimnisses
der Geheimisse.
Es
ist dies als das erste systematische wissenschaftliche Lehrbuch
der Chemie anzusehen und diente als Vorbild bis in die Neuzeit für
die meisten ähnlichen Lehrbücher.
AL-RAZI
beschreibt in seinem Geheimnis der Geheimnisse auch die Destillation
des "naft", des rohen Erdöls, und erläutert hierbei eine
einfache Art des Krackverfahrens zum Zwecke der Gewinnung niedrig
siedender Produkte wie Bitumen und des sogenannten Ziegelöles
(oleum laterinum), das wegen der leichen Entflammbarkeit wegen mit
Vorliebe zur Herstellung von Brandsätzen verwendet wurde.
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